
Zu meiner Arbeit
Eigene Gedanken zu seiner Kunst
„Wenn ich einen Stein senkrecht in die Höhe werfe, gibt es einen Augenblick der Ruhe, wo die auf den Stein einwirkende Kräfte einander ausgleichen. Diesen Moment des Gleichgewichts der Kräfte – auf meine Arbeit bezogen - versuche ich immer wieder zu erreichen.“
(H.F. 1973)
„Zu viel Glanz löst die Form in der reflektierten Umgebung auf, zu wenig macht die Details unsichtbar.“
(H.F. 1973)
Dass ein Maler auch plastische Objekte macht, ist sicher nicht ungewöhnlich. Beispiele dafür gibt es genug. Meine Hinwendung zur Skulptur war nicht geplant und ist nur langsam und stufenweise erfolgt, also keineswegs auf einen plötzlichen Sinneswandel zurückzuführen. Meine Bilder und Objekte – so hoffe ich – können diese Entwicklung belegen.
Die Schwierigkeit, Wahrnehmungen und Erfahrungen eigenständig zu verarbeiten, ist das große Problem am Beginn einer bildnerischen Entwicklung. Das gewaltige visuelle Angebot an zeitgenössischer und traditioneller Kunst ist für einen jungen Menschen kaum umfassend zu verarbeiten, und das ist im Grunde auch nicht notwendig. In der Regel sind die stärksten Eindrücke für die ersten Entscheidungen bestimmend. Das Ausschlussverfahren ist einfach und rigoros: Die stärksten Impulse werden umgesetzt, und gleichzeitig wird alles andere ausgeschlossen. Der Eindruck in diesem Zusammenhang, dass Kunst durch Kunst stimuliert wird, dass Ereignisse im Kunstbetrieb und deren Verarbeitung wichtiger werden können als die Gegebenheiten dieser Welt, ist nicht falsch, sollte aber zu denken geben.
Wie kann man also unbeeinflusst durch Betrieb und tradierte Bildstrukturen zum eigenen Bild kommen?
Unverdächtig in diesem Zusammenhang sind alle Formen der spontanen Bildfindung, unreflektierte, also nicht gesteuerte Malprozesse als Materialsammlung und Ausgansbasis für die weitere Arbeit. Sofern diese Arbeitsweise konsequent angewendet wird, orientieren sich in der Folge alle bewussten Eingriffe in diese spontan erworbene Materialkonstellation ausschließlich an den Gegebenheiten im Bild und nicht an bildfremden Ideen oder Inhalten von außerhalb. Meine Bilder, Materialbilder und Farbreliefs zwischen 1960 und 1967 sind ausschließlich so entstanden und nur so zu verstehen.
Bilder, die so entstehen, haben den Charme des Augenblicks. Aussage, Atmosphäre und Nuancenreichtum sind aber untrennbar mit der Situation, in der sie entstanden sind, verbunden – im Grunde abhängig von Erregungszuständen in bestimmten Lebenslagen und deshalb nicht wiederholbar. Solche Arbeiten könnten niemals geplant oder gar delegiert werden.
Skulpturen können so natürlich nicht entstehen.
Die Abklärung und Reduktion von spontan erworbenen Bildern auf strukturelle Grundverhältnisse ist ein erster Schritt hin zu festen, handhabbaren Formen. Verdinglichung und Verräumlichung sind weitere Schritte; dazu kommt der Verzicht auf die Farbe. Alles Flüchtige konkret machen und die Spontaneität des Anfangs erhalten, das ist vermutlich der Antrieb für diese Entwicklung.
Die Meinung, dass bei alledem der Bildhauer bzw. Maler nur mit sich selbst beschäftigt ist, ist nicht richtig. Spontane Handlungen haben ihre Erreger in der Welt, und der Künstler ist ein Teil davon. Die Welt kann also auch auf diesem Weg ins Werk gelangen.
(H.F. 1994)
Quelle:
Katalog Hermann Frauenknecht - Vom Bild zur Skulptur – Arbeiten der Jahre 1960-1994 – Albrecht Dürer Gesellschaft Nürnberg anlässlich der Ausstellungen 1994 in der Ehrenhalle des Alten Rathauses Nürnberg und im Fembohaus Nürnberg
In meinen Skulpturen versuche ich, Kräfte sichtbar zu machen, die zum Teil unvereinbar gegeneinanderstehen. Das ist jedoch nur möglich, wenn eine Kräftebalance zwischen diesen Gegensätzen in der Skulptur realisiert ist. Wie ich später festgestellt habe, ist diese Konstellation ein Reflex auf die demokratische Gesellschaftsordnung, in der wir alle leben. Dass hier ein Zusammenhang zwischen Strukturen in meinen Objekten und den Lebensumständen in der Gesellschaft besteht, war für mich zunächst nicht erkennbar; denn die Skulpturen entstehen spontan durch die Auseinandersetzung mit den vorhandenen Materialien und meinen bildnerischen Intentionen. In einer demokratischen Gesellschaft wird das Gesamtgeschehen durch eine Vielzahl konkurrierender Kräfte bestimmt. Ein Kräfteausgleich ist deshalb die Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Systems. In meinen Skulpturen ist das nicht anders. Dass in einem Kunstobjekt dieser Ausgleich präziser definiert werden kann, als das je im Alltag gelebt werden könnte, ist nicht schwer zu verstehen. Die Kunst kann hier Resultate erzielen, die so nur im Kunstwerk realisierbar sind.
Der Betrachter muss nicht wissen, ob zwischen den formalen Strukturen eines plastischen Objekts und den Grundverhältnissen einer demokratischen Gesellschaft Übereinstimmungen festzustellen sind, wenn er die Botschaft einer Skulptur aufnehmen will. Die Faszination, die von einem Kunstwerk ausgehen kann, ausgelöst durch die spontane Übereinstimmung mit dem jeweiligen Objekt, ist der eigentliche Schlüssel für diese Erfahrung.
Von Außenstehenden beurteilt, werden meine Skulpturen der abstrakten (im Gegensatz zur gegenständlichen) Kunst zugeordnet. Ich habe mich gegen diese Einordnung immer gewehrt. Skulpturen sind „Gegenstände“ zum ästhetischen Gebrauch.
(H.F.)